Der Hass, den sie meinen

In unserer Besprechung zum Tatort: Gold der vergangenen Woche schrieben wir, dass die neue Tatort-Saison eine experimentierfreudige zu werden scheint. Dies gilt auch für den mittlerweile siebzehnten Tatort aus Frankfurt am Main des Teams Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Vor nun mehr bald einem Jahr experimentierte das Team mit einer LSD-Handlung, die so hanebüchen war, als wäre sie im Rahmen eines sehr erfolgreichen Drogen-Trips entstanden.

(v.l.n.r.) Glasner (Karsten Antonia Mielke), Paul Brix (Wolfram Koch), Anna Janneke (Margarita Broich), Jonas (Isaak Dentler) und Bachmann (Werner Wölbern) // © HR/U5 Filmproduktion/Christian Lüdecke

Es brauchte dann auch zwei, drei Anläufe, um den Film zu Ende schauen. Gleiches gilt für den heutigen Tatort: Erbarmen. Zu spät., der im Grunde mit einer interessanten Idee spielt und ein wichtiges Thema aufmacht. Sich dann aber in platten Dialogen sowie einer gewissen Überinszenierung ergeht (Buch und Regie: Bastian Günther), die derart selbstverliebt ist, dass es nicht nur beinahe wehtut – und den kritischen Themenzirkel rechte Gesinnung bei der Polizei ad aburdum führt.

Im Dunkeln tappen

Am Rande eines Waldgebietes fahren nachts zwei Autos über einen Feldweg. Darin Brix und weitere Polizeibeamte. Außerdem ein Verdächtiger, Anton Schilling (Niels Bormann, Legal Affairs), der kurz zuvor zur Polizei gekommen ist und berichtet hat, dass der Polizist Simon Laby (Sebastian Klein) erschossen und dann am Waldrand vergraben wurde. Die Suche verläuft schwierig. Schilling kann sich nicht mehr erinnern, wo die Stelle genau liegt. Es ist dunkel, er hat getrunken. Auch scheint er Angst zu haben. Nichts davon hilft seinem Gedächtnis auf die Sprünge.

Glasner (Karsten Antonia Mielke) // © HR/U5 Filmproduktion

Parallel wird eine Waldhütte Labys durchsucht und dabei stößt mensch auf diverse Essens– wie auch reichlich Waffenvorräte und ein falsches Polizeiauto. Zudem scheint ein ehemaliger Kollege und Kumpel von Brix namens Radomski (ein Lichtblick: Godehard Giese) irgendwie in die Sache verstrickt zu sein. Brix mag so recht nicht daran glauben. Janneke dafür umso mehr. Radomski wird ausfindig gemacht und beschattet, bis er schließlich mit Brix und Kolleg*innen auf die Jagd geht. Doch wer ist Jäger und wer Gejagter? Düdumm.

Kurz und knapp: Buh!

Das klingt auf dem Papier durchaus alles spannend und hätte wie erwähnt Potenzial. Günther und Team allerdings entscheiden sich dafür, den ernsten Hintergrund zu nutzen, um eine artifizielle Filmfingerübung zu veranstalten, bei der – so viel Spoiler muss erlaubt sein – am Ende alles exakt so ist wie es scheint. Kurz hat eine*n Erbarmen. Zu spät. gegen Ende dann doch, denn immerhin bleibt der dunkle, gern vernuschelte Krimi konsequent und belohnt uns nur bedingt mit einer erfolgreichen Aufklärung. Das hat natürlich was.

Franz Decker (Uwe Rohde) // © HR/U5 Filmproduktion

Dann wiederum wird‘s doch noch arg symbolisch, als schlussendlich Roter Regen, auch bekannt als Blutregen, vom Himmel kommt und wir eine Gruppe hedonistischer Halbstarker erleben, die zuvor schon einmal kurz an einer Tankstelle auftauchten… Uhm, was bitte? Untermalt wird das ganze von psychedelischer Musik von Dallas Acid, die fein ist, allein so recht nicht zum Setting passen will. Was dann wiederum Sinn ergibt, wenn wir bedenken, dass hier quasi kaum etwas zusammenpasst. Kann mensch sich sparen. Was für uns wohl für zukünftige Frankfurt-Tatorte gelten wird.

AS

PS: „Wieviel Hass muss man haben?“ – „Ein bisschen.“

PPS: „Wir waren mal Freunde.“ – „Ja, tschüss jetzt.“

© HR/U5 Filmproduktion/Daniel Dornhöfer

Tatort: Erbarmen. Zu spät. ist am Sonntag, 10. September 2023, um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen und anschließend für sechs Monate in der Mediathek verfügbar.

Tatort: Erbarmen. Zu spät.; Deutschland 2023; Buch und Regie: Bastian Günther; Bildgestaltung: Michael Kotschi; Musik: Dallas Acid; Darsteller*innen: Margarita Broich, Wolfram Koch, Godehard Giese, Karsten Antonia Mielke, Uwe Rohde, Christoph Pütthoff, Niels Bormann, Isaak Dentler, Werner Wölbern, Sebastian Klein; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion der U5 Filmproduktion im Auftrag des Hessischen Rundfunk

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert