Vor wenigen Tagen haben in Nordrhein-Westfalen als erstem Bundesland die Sommerferien begonnen. In Schleswig-Holstein liegt der Beginn recht mittig am 17. Juli. Gute fünf Monate später, am 27. Dezember, geht es im Norden offiziell in die Weihnachtsferien (der 23. ist ein Samstag, den Rest kann jede*r selbst abzählen). Ihr seht also — während es draußen wärmer und/oder zuletzt auch gern schwül-warm wird, denkt the little queer review schon wieder an die Winterzeit…
Das andere Gefühl
…vor allem an die sogenannte Weihnachtszeit. Denn nicht nur ist Weihachtsmusik eigentlich ziemlich toll oder bereitet ein wenig von Toter Tante angeheitertes Dekorieren Freude… Nein, auch das Backen und Kochen hat zu dieser Zeit etwas anderes für sich, als manch ein sommerliches One Pot Gericht oder die Zubereitung eines leichten Spargelsüppchens. Außerdem ist heute in exakt sechs Monaten Weinachten. Und in zwei Monaten steht auch schon wieder der Spekulatius in den Regalen.
Wie praktisch, dass wir auch in diesen Tagen den Band Nordische Weihnacht. Mit festlichen Rezepten, alten Bräuchen und Traditionen durch die schönste Zeit des Jahres der mit herzelieb sehr erfolgreichen Food-Bloggerin Michaela Lühr, die ein echtes Nordlicht ist, zur Hand haben. So können wir in dem im Christian Verlag erschienen Kochbuch schon einmal markieren, was es in diesem Jahr so geben wird. Oder üben… denn etwa das Zubereiten von Omas Entenbraten, so wie er im Band beschrieben wird, misslang im vergangenen Jahr (geschmeckt hat’s dennoch).
Norddeutsche Weihnacht
Und das lag nicht etwa an einem Zuviel von erwähnter Toter Tante, einem Rum-Kakao-Getränk, dessen Namensherkunft Lühr natürlich nebst Rezept und Zubereitungsanleitung erläutert. In ihrer Einleitung geht sie zunächst einmal kurz darauf ein, dass das nordische Weihnachtsfest — wie auch die Küche — „in vielen Bereichen skandinavisch geprägt“ ist, was durch die Nähe zu Dänemark und nicht zuletzt die Epoche der Schwedenzeit wenig verwundern mag.
Dennoch sei gleich gesagt: Bei Nordische Weihnacht geht es nicht um Rezepte, die mensch womöglich erwarten würden, wenn etwa an die Nordischen Botschaften gedacht wird. Es geht um norddeutsche Küche. Die selbstredend einiges zu bieten hat, wie wir auf gut 150 Seiten vermittelt bekommen.
Nie ohne Liebe
Neben diversen Rezepten — untergliedert in „Getränke“, „Süsse Brote“, „Deftig und manchmal süß durch den Advent“, „Kekse backen“, „Fettgebäck“, „Heiligabend und Weihachten“, „Desserts“, „Silvester“ sowie „Neujahr“ — gibt es noch diverse Informationen zu Traditionen und Mythen, Bräuchen und Begriffen sowie manch einer Eigenart des Nordens. Wie etwa dem traditionellen Verspielen oder den „Klüterkeksen zum Naschen und Spielen“. Auch weiß Michaela Lühr zu berichten, warum den Adventskranz einst 23 Kerzen bestückten oder wie der Friesische Weihnachtsbaum aussieht und was es mit einzelnen Schmuckmotiven auf sich hat.
Der Fokus liegt aber klar auf den zumeist gut erklärten Rezepten (bei denen es weniger holpert, als in den Anekdoten), in deren Zutatenliste „1 Prise Liebe“ nie fehlt. Das scheint das Ding der kochenden und backenden gelernten Kauffrau zu sein — wir müssen gestehen, dass wir den Blog zuvor nicht kannten. Um mal eine Freundin zu zitieren: „Naja, wer’s mag.“
Spekulatius-Franzbrötchen über Labskaus…
Die Rezepte jedenfalls sind reichhaltig und dürften jeden (nicht veganen) Geschmack treffen. Genau wie beinahe jede Kochkompetenz. Von sehr einfach zuzubereitendem Gebäck, Speis und Trank bis hin zu etwas ausgefeilteren Gerichten — verzweifeln dürfte kaum wer. So ist der Rosinenstuten etwa recht „fix“ zubereitet, simpel jedenfalls, wenn auch etwas klumpig. Ob mensch diesen dann süß oder herzhaft (Stichwort: „broken Sööt“, also gebrochene Süße) verzehren mag, ist allen selbst überlassen.
An den Spekulatius-Franzbrötchen muss ich mich erst noch versuchen (übrigens fein, dass Lühr zu jedem Rezept noch eine kleine Story zu Herkunft, Entstehung, Verbreitung, Variation, etc. anbringt). Der Grünkohl Holsteiner Art ist eine feine Sache, genau wie Omas Apfelrotkohl (wobei bisher kein Rotkohl an jenen von Antoni Porowski aus dessen Antoni in the Kitchen heranreicht); Wurzel- und Rübenmus lassen sich nach diesen Anleitungen für jede*n gemütlich zubereiten. Auch am Labskaus muss ich mich noch versuchen. Leider schätzt den kaum wer in meiner Umgebung und ihn für mich allein zu machen… Weiß nicht, Digga. Wer mag, darf sich melden.
…Fliederbeersuppe und Anisplätzchen…
Neugierig sind wir hier alle wiederum auf die Advents-Fliederbeersuppe mit Klümp. Als sehr gut, ob mit oder ohne Würstcheneinlage, empfehlen können wir Omas Erbsensuppe, die zu kochen eine seltsame Freude bereitete. Womöglich liegt es daran, dass ich gern Eintöpfe koche. Etwas aufwendig aber lohnenswert sind die Braunen Kuchen. Hier ist bei der Vorbereitung einiges an Geduld gefordert, die sich jedoch bezahlt macht. Schneller gehen da die leckeren Anisplätzchen.
Für jene, die es mögen, finden sich mit Förtchen, Krummen Jungs und Mutzen leckere Fettgebäcke (wobei sich Ähnliches in vielen Küchen, auch viel in Bayern, findet, das ist also nicht „exklusiv“ norddeutsch). Auch ein Rezept für Berliner gibt es in Nordische Weihnacht, genau wie für Futjes, was ja ebenfalls Fettgebäck ist, aber im Kapitel „Silvester“ steht. Sowohl bei „Silvester“ als auch „Neujahr“ finden sich lediglich Süßspeisen und derer insgesamt nur drei (Isenkonen oder Neujahrskuchen ergänzen die zwei zuvor Genannten). Diese Kapitel hätte Michaela Lühr sich meines Erachtens auch sparen können.
…zu Kartoffelsalat und Rosenkohl-Salat
Macht aber nichts, sie stören nicht weiter. Der Schwerpunkt liegt ohnehin auf den Vorweihnachtsleckereien und manch deftigem Gericht. Für all jene, die Weihnachten traditionell mit Kartoffelsalat und Würstchen begehen, sei Lührs Kartoffelsalatrezept in jedem Fall empfohlen. Der ist reichhaltig, liegt aber nicht zu sehr im Magen und hat durch die Zugabe von Joghurt eine angenehme Frische (wobei wir das Mayonnaise-Joghurt-Verhältnis auf 50/50 gesetzt haben). Beim Essig habe ich mich für Apfelessig entscheiden, was diesen Faktor noch erhöht.
Auch der Rote Heringssalat wie der Schweinebraten mit Knusperkruste können sich sehen oder besser schmecken lassen. Den Rosenkohl-Salat (der dem amerikanischen Coleslaw nachempfunden ist) werde ich probieren, sobald im Spätherbst der erste Rosenkohl am Markt ist, da habe ich im vergangenen Jahr auf ein anderes Rezept zurückgegriffen.
Gaumenfreuden für mehrere Feste
Alle im Buch vorgestellten Gerichte werden übrigens anschaulich in schönen Fotografien abgebildet, was die Lust erhöht, bei manchen jedoch womöglich für Frust sorgen mag, wenn’s mal nicht so gelingt. Dann eben noch einen Schluck Pharisäer! Ein, zwei Gedichte und weitere, manchmal etwas beliebig wirkende doch ansehnliche Fotos runden die Nordische Weihnacht ab.
Für jene, die diese bodenständige, um eigene Akzente der Autorin ergänzte Küche schätzen und es so zuckersüß wie zart-deftig mögen, ist der Band eine volle Empfehlung. All jenen, die ein breiteres Weihnachtsmenü bevorzugen, sei zu anderen Titeln geraten. Das allerdings sollte bereits der Titel verraten. Wir jedenfalls werden noch lange Gaumenfreude an diesem Buch haben.
AS
Michaela Lühr: Nordische Weihnacht. Mit festlichen Rezepten, alten Bräuchen und Traditionen durch die schönste Zeit des Jahres; Oktober 2022; Hardcover, gebunden; 160 Seiten, ca. 100 Abbildungen; Format: 19,3 x 26,1 cm; ISBN: 978-3-9596-1573-0; Christian Verlag; 29,99 €
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