Weihnachten ist eine Zeit der Zeit. Im Vorfeld ist sie oft ein knappes Gut Tessa), wenn Weihnachtsfeiern einander jagen, Vorbereitungen für Besuche von Freundinnen, Freunden und Verwandten getroffen oder Geschenke besorgt werden wollen. Ach ja, und zig Sachen müssen natürlich auch noch vor dem Jahreswechsel fertig werden, weil irgendjemand das so möchte.
Die Tage bis Heiligabend sind oft stressig und nervig, erst danach wird es für viele wirklich ruhiger. Zeit, sich einmal wieder ein Buch zu nehmen – hoffentlich ein Gutes. Und wenn es doch kein Longread sein soll, dann sind Kurzgeschichten immer eine gute Alternative – zu Weihnachten gerne auch mit der Jahreszeit angemessenen Geschichten.
Sechsmal Weihnachtszeit
Das kann ein Weihnachtskrimi sein, oder aber auch eine klassische Geschichte. In letztere Kategorie fallen die Geschichten der bekannten schwedischen Autorin Selma Lagerlöf, der Mutter von Nils Holgerson. Der Insel Verlag hat in seiner Insel-Bücherei sechs weihnachtliche Geschichten Lagerlöfs in einem kleinen Band mit Illustrationen von Ulrike Möltgen zusammengestellt und unter dem Titel Ein Weihnachtsgast herausgegeben. Übersetzt wurden die Geschichten von Hanna Granz.
In den sechs Geschichten von zumeist zehn bis 20 Seiten geht es natürlich um Wehnachten und die gesamte Weihnachtszeit. Die Heilige Nacht und Der Weihnachtsmorgen erzählen ganz spezifische Geschichten vom Weihnachtstag, der titelgebende Weihnachtsgast ist eigentlich gar nicht so willkommen, die Legende von den Christrosen spielt mit den Erwartungen an Weihnachten, ähnlich wie Trollmusik. Der Traumpfannkuchen hingegen ist hinggen eine Geschichte, die bereits Erwartungen an die Zukunft formuliert.
In der christlichen Weihnachtstradition
Protagonistinnen und Protagonisten in Lagerlöfs Geschichten sind oft die „einfachen Menschen“. Zwei junge Mädchen, die mit ihrer Großmutter einen Traumpfannkuchen backen (das Rezept klingt allerdings nicht so ansprechend), eine Geschichte, in der ein Kind seine Geschichten erzählende Großmutter vermisst oder ein Organist, der gerade zu Weihnachten nicht spielen kann.
Es wäre an dieser Stelle zu viel, jede der Geschichten für sich zu analysieren. Sie alle stehen aber in der Tradition der christlichen Weihnacht. Es geht um Vergebung und die Nächstenliebe. Es geht um das Teilen in der größten Not und darum, jemandem in seinem Haus, seinem Leben Obdach zu gewähren. Das sind Werte, die zumindest in unserem Kulturkreis auf das jüdisch-christliche Verständnis zurückgehen, aber eigentlich Grundfesten unserer Gesellschaft sein sollten.
Moral und Mystik
Gerade in der zu Lebzeiten Lagerlöfs (1858 – 1940) sehr frommen schwedischen Landbevölkerung scheinen diese Werte zutiefst verankert zu sein. Alle Geschichten transportieren eine Moral oder einen tieferen Sinn gepaart mit einer festlichen Mystik – was durch die Illustrationen noch einmal zustäzlich verstärkt wird.
Ist das nicht, wonach viele Menschen zu Weihnchten oder dem dunklen, grauen Jahreswechsel suchen? Selma Lagerlöfs in Ein Weihnachtsgast versammelte Geschichten sind jedenfalls eine ansprechende Lektüre für alle, die sich gerne ein wenig von Weihnachten vezaubern lassen möchten. Und für alle, die dies gern teilen möchten, ist Ein Weihnachtsgast auch ohne Weihnachtsgans ein wunderbares Geschenkbuch.
HMS
Eine Leseprobe findet ihr hier.
Selma Lagerlöf: Ein Weihnachtsgast – Insel Bücherei 1526; September 2023; Aus dem Schwedischen von Hanna Granz; mit Illustrationen von Ulrike Möltgen; 112 Seiten; Fester Einband, gebunden; ISBN: 978-3-458-19526-9; Insel Verlag; 15,00 €
Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!
Comments