„Das Boot“ ist vom Kurs abgekommen

Funkausfälle und Übertragungsschwierigkeiten kommen auf hoher See schon einmal vor. In einer der ersten beiden Staffeln der Fernsehserie Das Boot sind die Männer an Bord des titelgebenden U-Boots U 612 während des Zweiten Weltkriegs irgendwo im Atlantik dieser Situation ausgesetzt und auch die bei Sky Deutschland veröffentlichte dritte Staffel kämpft mit so manchen Problemen – und zwar nicht nur die Jungs an Bord, sondern allgemein scheint die Serie Schwierigkeiten zu haben, den richtigen Kurs und die richtigen Klänge zu finden.

Reboot fürs U-Boot

Ausgangslage: Kapitänleutnant Klaus Hoffmann (Rick Okon) war am Ende der zweiten Staffel unfreiwillig in den USA gelandet, in Deutschland gilt er mittlerweile als Hochverräter und vor allem sein Vater  Wilhelm Hoffman (Ernst Stötzner) seine mit dem Oberleutnant zur See verheiratete Schwester Hannie Lessing (Luise Wolfram) leiden unter den „Taten“ des Bruders bzw. Sohnes. Hoffmanns Oberleutnant zur See Robert Ehrenberg (Franz Dinda) scheint sich erst einmal mit einem Leben an Land angefreundet zu haben und ist zwischen Verantwortung fürs Vaterland und aufkeimendem privatem Glück andererseits hin- und hergerissen.

Auch das handlungstreibende U-Boot erfährt eine Art Reboot: Eine neue Crew rund um die beiden Kleinkriminellen Bernd Cremer (Yuri Völsch) und Pauli Müller (Alessandro Schuster) wie den nicht nur an Diensterfahrung jungen U-Boot-Kapitän Franz Buchner (Konstantin Gries) wird uns mehr schlecht als recht eingeführt. Trotz nur sehr kurzer Anlern- und Ausbildungsphase im Kieler Heimathafen wird sie aber bald auf eine heikle und nicht ungefährliche Mission zur Beschaffung von Wolfram geschickt.

Sommer, Sonne, Schlangengrube

Apropos Welt: Nach zwei Staffeln im französischen La Rochelle geht es dieses Mal weiter nach Süden, nämlich ins neutrale Portugal. Trotz Neutralität ist die Hauptstadt Lissabon jedoch zu einem Tummelplatz von Nazis, ihnen Nahestehenden oder – auch das – Flüchtlingen vor dem Naziterror geworden. Welche Ironie, dass die damalige Kolonialmacht selbst mit ihren Kolonien und den von dort Zurückkehrenden so schlecht umging.

Weniger Flüchtling als vielmehr Täter ist der nun unter dem Namen Frank Giese dorthin versetzte Gestapomann Hagen Forster (Tom Wlaschiha), der nach seinen „Leistungen“ im Osten des Deutschen Reichs in der portugiesischen Sonne einer Verschwörung auf der Spur ist. Ob es aber der Gesandte der deutschen Botschaft (Johann von Bülow) ist, die mondäne und einflussreiche Industriellengattin Bettina Gruber (Anna Schudt) oder ihr Ehemann, Lissabon stellt sich schnell als Schlangengrube heraus, die Gefahren für jede und jeden bereithält.

Auf Sinkkurs

An sich wäre das durchaus eine spannende Ausgangslage, die Regisseur (Andreas Prochaska, Matthias Glasner, Rick Ostermann) und Drehbuchautor (Tony Saint, Johannes W. Bett) mit ihrem Team bereitet haben. Leider aber – und es lässt sich kaum anders sagen – scheitern sie damit auf großer Linie. Die Einführung einer neuen U-Boot-Crew ist eine große Chance, manch ein Versäumnis der ersten beiden Staffeln hinter sich zu lassen und eine Art neuen Start zu wagen. Leider aber gibt es unter den Crewmitgliedern kaum Sympathieträger, beziehungsweise lernen wir sie dafür nicht genug kennen, bauen kaum eine Verbindung zu ihnen auf.

Die Handlungen um das U-Boot selbst drehen sich vielmehr um den viel zu jungen Kapitän Buchner, der seine Verantwortung selbst eigentlich gar nicht annehmen will, nur durch seine in der Nazi-Hierarchie offenbar einflussreichen Mutter (auch wenn wir nicht wirklich erfahren, woher ihr Einfluss rührt; Fritzi Haberlandt) zu seiner Stellung gekommen ist und glücklicherweise zumindest ein wenig in seine Rolle hineinzuwachsen scheint. Was wir bei ihm und allgemein beim U-Boot aber leider vermissen, ist die wirkliche emotionale Verbindung zu den Zuschauerinnen und Zuschauern und das kann auch Oberleutnant zur See Ehrenberg, der heimliche Kapitän, der Buchner auch unter seine Fittiche nimmt, leider nicht wettmachen.

Soapkrimi in Lissabon

Auch in Lissabon sind wir von der Geschichte leider nicht mitgerissen. Gestapomann Giese/Forster wird uns lange, sehr lange, als erfolgreicher und unbefleckter Problemlöser vorgestellt – eine Rolle, die nach den Erfahrungen aus den ersten Staffeln so gar nicht zu ihm passen mag. Dass er selbst vom Jäger zum Gejagten wird, ist von vorneherein vorauszusehen und ob seiner zwielichtigen Vergangenheit ist das Mitgefühl mit ihm auch nur sehr gering ausgeprägt.

Die eigentliche Frage, die sich uns hierbei stellt, ist, ob es die Macherinnen und Macher hierauf angelegt haben oder ob das einfach eine so wenig fesselnde Geschichte erzählen, wie sie es selbst nicht vermutet haben. Trotz einiger in der Tat spannender Charaktere – Anna Schudt und (ihr Mann) spielen ihre zwielichtigen Rollen so großartig, dass sie eine ansonsten recht unbefriedigende Serie zumindest in den meisten sie involvierenden Szenen ein wenig fesselnd machen – bleibt die Geschichte in Lissabon weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und erzählt eher eine Art Soapkrimi, weniger eine wirkliche Kriegsgeschichte.

Wir bleiben im Kühlen

Noch mit am besten oder zumindest am nachvollziehbarsten sind noch die Handlungsstränge um Hannie und ihre Familie in Kiel. Während wir Sohn Klaus und seinen bisher halbwegs einnehmenden Handlungsstrang fast sehnsüchtig erwarten – Spoiler: wir warten lange! – kämpft seine Familie mit dem Reputationsschaden, den sein vermeintlicher Verrat der Familie eingebracht hat. Hannie changiert als für damalige Verhältnisse halbwegs selbstbewusste junge Tochter und Ehefrau zwischen ihrem hochdekorierten Vater Wilhelm Hoffman und ihrem Ehemann Klaus Hoffman. Zumindest ist dies halbwegs glaubhaft nachzuvollziehen und lenkt die Geschichte auf eine starke Frau in einem schweren Umfeld.

Trotz dieses Lichtblicks wirkt die dritte Staffel von Das Boot allerdings weniger als Fortsetzung der uns bereits wenig überzeugenden ersten beiden Staffeln, sondern vielmehr als das unbeholfene und fast schon missglückte Spin-off, das einigen Figuren noch zugestanden wurde. Die vierte Staffel startete gestern bei Sky und Staffel drei endet auch mit dem einen oder anderen Cliffhanger, der eine unmittelbare Fortsetzung ermöglicht. Es ist eigentlich allen Beteiligten zu wünschen, dass es sich beim vierten Durchgang dann auch um den letzten handelt, denn Staffel 3 war leider eher eine Verschwendung von zehn Stunden Lebenszeit.

HMS

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert