Let it Read

Hintergrundbild: DER Fußgängerübergang in der Abbey Road. // Foto: colleenbradley via Canva

In Zeiten voller Unsicherheiten und Umbrüche, Zeitenwendenlediglich angekündigter wie sich wahrlich vollziehender —, steigender Kosten, Wohnangst, halbgarer Spargelsaison, Klimakrisen und drohendem Weltende ist es gut, doch manch eine heimelige Konstante zu haben. Für die einen sind das Hörspiele wie etwa Die drei ??? (hierzu in Kürze mehr), für andere ist es der sonntägliche Tatort/Polizeiruf 110 und für nicht wenige — und dies nicht nur in Deutschland — ist es das jährliche Großevent namens Eurovision Song Contest, kurz ESC

Dieser wird in diesem Jahr in der irisch geprägten englischen Stadt Liverpool stattfinden. Zwar ging die Ukraine als Siegerland aus dem letztjährigen ESC hervor, doch aus Angriffskriegsgründen, ständigem Luftalarm auch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew und also Gefahr für Leib und Leben, kann der ESC dort nicht stattfinden. Nun geht es also in die Stadt am Mersey.

Come Together

Zu den bekanntesten Liverpudlians, wie die Einwohner gern offiziell genannt werden, gehören sicherlich John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr. Manchen auch bekannt als The Beatles. Über die Fab Four, ihre Wurzeln und Entstehung, erste Erfolge, mögliche Hybris und Trennung sowie anschließende Soloprojekte und das Ableben Lennons sowie Harrisons hat der Musikjournalist Ernst Hofacker in der Reihe Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten des Klartexts Verlags ein feines, kleines, buntes Buch vorgelegt.

Machen wir es kurz: Der kompakte und reich bebilderte Band ist eine Rundum-Empfehlung. Für jene, die meinen, schon alles über die vier Jungs und ihnen angeschlossene Musiker*innen, Freund*innen und allgemein Weggefährt*innen zu wissen, mag der Charme der manches Mal recht schmissigen Verknappung eine gute Gedankenstütze sein. Allen anderen kann der auch an Informationen zu Land und Leuten sowie der Musikindustrie im Allgemeinen und jener der 1960er– und 70er-Jahre im Besonderen reiche Band eine prima Einführung in den Kult sein, der The Beatles umgab und noch umgibt.

A Hard Day’s Night

Zusammengekommen noch in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit und durch die Welt (aka nach Hamburg) gepeitscht, sind die Anfänge, wie Hofacker sie beschreibt, auch ein Stück Zeitgeschichte. Stories wie jene zu Jürgen Vollmer, „der Mann, der John & Paul den Moptop schnitt“ lassen nicht nur Fan-Herzen höher schlagen, sondern zeigen auch, wie wichtig Image und Optik nicht erst seit den Backtstreet Boys sind. Ganz im Gegenteil — ohne die einen, hätte es die anderen womöglich nie gegeben. 

Auch geht Hofacker auf einzelne Alben (im Speziellen auch das Coverdesign von „Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band“) und natürlich die berühmten The Beates-Filme ein, allen voran A Hard Day’s Night den „Dada-Dialoge, Chaos galore und jede Menge Musik“ prägen und auszeichnen. Literally: Der „Titelsong gewann einen Grammy, und zwei Oscar-Nominierungen gab’s obendrauf.“ Außerdem erfahren wir, dass der 13-jährige Phil Collins als Komparse am Start war. Hui!

Ob-La-Di, Ob-La-Da

Passend zum Titel räumt Hofacker auch mit manchen Irrtümern bzw. teils schlicht verlogenem Klatsch auf. So etwa die vermeintlich große Feindschaft zwischen The Beatles und The Rolling Stones, eine Story, die sich bis heute hält. Oder einer BRAVO-Story, die Paul McCartney ein Kind unterjubelte. Dem gar nicht so krassen „Bruderzwist“ zwischen McCartney und Lennon. Und manchem mehr. Dies alles ist so kurzweilig und unterhaltsam, dass mensch gar nicht anders kann, als immer weiter zu blättern und noch einen Abschnitt zu lesen. Jener zu Rechtsstreitigkeiten mit Apple ist so faszinierend und spannend wie eine Geschichte zu Marihuana-Fan Bob Dylan.

So geht das Buch, über diese Band die „im selben Momente maximal erfolgreich und künstlerische Avantgarde“ war, wie Ernst Hofacker die Faszination und das Tohuwabohu um die Fab Four trefflich zu beschreiben weiß, viel zu schnell vorüber. Dankenswerterweise empfiehlt er aber nicht nur diverse Alben (und beschreibt, warum sie nicht unbedingt in Remastered-Versions gehört werden sollten), weist auf die Filme (wenn leider auch die Empfehlung zum sehr sehenswerten Biopic Nowhere Boy fehlt) und die Dokumentation The Beatles: Get Back von Herr der Ringe-Regisseur Peter Jackson hin.

Ticket to Ride

Für jene, die zum Finale des Eurovision Song Contest in der Liverpool Arena nach Liverpool reisen oder sowieso mal einen Trip in die vormalige Hafenstadt planen, finden sich im Band auch noch ein, zwei Tipps. So ist der berühmte Barclub Cavern Club, in dem die Beatles am 9. Februar 1961 um die Mittagszeit ihren ersten Auftritt absolvierten und auf Produzent Brian Epstein trafen, noch immer einen Besuch wert und nicht selten treten dort auch Beatles-Coverbands auf (wenn es sich auch um einen Nachbau handelt; vor einigen Tagen spielten dort übrigens Lord of the Lost). Vor einigen Jahren konnte ich dort eine Gruppe sehr junger und fescher Männer durchaus talentiert einige der bekannten und weniger bekannten Beatles-Songs zum Besten geben sehen. Quasi nebenan befindet sich das Liverpool Beatles Museum (und eine Gay-Bar, dazu unten mehr).

Die lebensgroße Beatles-Bronzestatuen (links abgeschnitten das Royal Liver Building, erbaut 1911) // Foto: Dave Porter via Canva

Dieses ist mit vielen Raritäten ausgestattet und dank zahlreicher Informationen einen Besuch wert. Genau wie das Museum The Beatles Story an den Albert Docks, dort parallel auf der anderen Seite am Pier Head steht die Beatles-Statue, die natürlich ein großartiges Fotomotiv ist, vor allem mit dem Royal Liver Building im Hintergrund (überhaupt ist die ganze Pier-/Dockanlage fantastisch). Ebenso empfohlen sei die Tate Liverpool und im Kontrast dazu das Internationale Sklavereimuseum, das 2007 als neuer Teil des Merseyside Maritime Museum eröffnet wurde. 

Eight Days a Week

Anschließend lässt es sich unter anderem im Bar & Grill im Halifax House wunderbar speisen. Das Restaurant befindet sich im ehemaligen Gebäude der Union Bank. Empfehlenswert auch die Liverpool Gin Distillery, ganz in der Nähe des Cavern Club. Quasi auf der anderen Seite der (teils historischen) Innenstadt befinden sich zwischen Wood, Fleet und Seele Street diverse Restaurants, Bars und Kneipen. Es gab/gibt eine Bar, in der konnte mensch quasi alle Absolut-Vodka-Sorten als Shots trinken; selbstredend konnte die Menge frei bestimmt werden. Ob nun also eine Palette mit vier oder acht oder … XXX-Geschmacksrichtungen. Der Name ist mir entfallen (vielleicht war es gar die Gin Distillery, die auch guten Wodka hat) oder womöglich gibt es den Laden nicht mehr. 

Gay-wise ist The Masquerade in der Cumberland Street eine Empfehlung wie auch OMG Liverpool in der Victoria Street (quasi gegenüber dem Cavern Club — lohnt sich!), direkt nebenan gibt es mit Dorothy’s Showbar Liverpool auch einigen Drag-Fun. Unweit davon ist in der Stanley Street die Navy Bar zu finden. The Lisbon Bar soll sehr gut sein (ebenfalls Victoria Street), kenne ich selber allerdings nicht. 

Ihr seht also: Unabhängig vom Eurovision Song Contest ist es lohnenswert über The Beatles zu lesen, sie „zu besuchen“ und dabei gehörig und doch kulturell untermauert in Liverpool auf den Putz zu hauen, die Nacht zum Tag und die Woche einen Tag länger zu machen. Somit sei eine Reise nach Liverpool ebenso sehr empfohlen wie Ernst Hofackers Populäre Irrtümer-Band über The Beatles. 

AS

PS: Als nächsten Titel der Reihe besprechen wir übrigens jenen zu ABBA — das passt dann doch ganz wunderbar als Eurovision-Nachklapp-Titel. Von Ernst Hofacker, der 2013 zum Fachjournalisten des Jahres gekürt wurde, gibt es darüberhinaus im Klartext Verlag noch einen Band zu, na…? Richtig: The Rolling Stones

Ernst Hofacker: The Beatles — Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten; Oktober 2022; 120 Seiten, zahlreiche Abbildungen; Klappenbroschur; ISBN 978-3-8375-2466-6; Klartext Verlag; 16,95 €

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