Wenn linker Dogmatismus Menschenleben kostet

Der Bundestag kommt heute zu einer Sondersitzung zusammen, um einige bisher nicht absehbare Dinge noch vor der in einem Monat stattfindenden Wahl parlamentarisch zu beschließen. Die Nothilfe für die Opfer der Flutkatastrophe in Westdeutschland, die Verlängerung der epidemischen Lage und vor allem das nötige Mandat für den Einsatz der Bundeswehr bei der Evakuierung aus Afghanistan.

Gerade letzteres erregt aber nun die Gemüter. Die Linkspartei, sich selbst immer als Friedenspartei und als Partei des kleinen Mannes/der kleinen Frau betrachtend, hat erklärt, dem Mandat nicht zuzustimmen, es aber auch nicht ablehnen zu wollen. Uns stellt sich daraufhin die Frage: Was bitte ist das für eine menschenverachtende Haltung?

Alles, wo „Bundeswehr“ draufsteht, ist grundsätzlich falsch

Die Linkspartei ist als traditionell extrem kritische Partei gegenüber allem, was mit der Bundeswehr zusammenhängt, bekannt. Oder, wie es der frühere Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels in seinem jüngsten Buch Unsere Demokratie – Freiheit, Vielfalt, Wehrhaftigkeit (unsere Besprechung folgt demnächst) schreibt: „Für viele Bürger, zumal auch für die Arbeiterschaft und die politische Linke, haftete dem Militär seit jeher etwas gewalttätig Obrigkeitliches an.“

Den Afghanistan-Einsatz wie auch alle anderen Auslandsmissionen der Bundesrepublik hält sie konsequenterweise für falsch, inklusive aller Polizeieinsätze. Die Umsetzung der Evakuierung von deutschen Staatsbürgern, früheren Ortskräften und allgemein Zivilistinnen und Zivilisten durch die Bundeswehr sei nun aber auch der falsche Weg, wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen heute Morgen in einem Interview im Deutschlandfunk bekundete. Was notwendig sei, seien diplomatische Verhandlungen mit den Taliban, so Dagdelen weiter.

Menschen einsperren – Unheil eingepreist

Erneut: Wie bitte? Dagdelen kritisierte, dass die Bundeswehr den Einsatz durchführen solle. Aber wer soll das denn sonst machen? Die Notbesetzung von sieben Diplomatinnen und Diplomaten, die am Flughafen in Kabul arbeiten, um so viele Visaformalitäten wie möglich abzuarbeiten? Wir reden hier von einer mindestens fünfstelligen Zahl von Menschen. Wie sollen diese das denn schaffen, wenn die Taliban bereits Straßensperren errichtet haben und nur noch Nicht-Afghanen zum Flughafen lassen – ihre Landsleute also einsperren wie damals die SED in der DDR.

80 Prozent der Bevölkerung hätten laut Dagdelen ohnehin keine Chance, im Westen aufgenommen zu werden. Aber was ist mit den 20 Prozent, die eine Chance hierzu haben? Sollte denn nicht die Bundeswehr dabei helfen, diesen Personen ein Leben in Deutschland – oder zumindest erst einmal die Ausreise – zu ermöglichen? Aber dass die Linkspartei, die sich sonst als Menschenrechtspartei bezeichnet, gerne auch einmal wegsieht, wenn es in ihr Weltbild passt – die Verleugnung der unhaltbaren Zustände für LSBTIQ*-Menschen in Tschetschenien ist ein deutliches Beispiel hierfür – ist einfach nur bigott und heuchlerisch.

Dogma und Ideologie kosten Menschenleben

Die Partei, das zeigt sich hier erneut, handelt auch hier nur aufgrund von Dogma und Ideologie. CDU/CSU und SPD, ihre Spitzenpolitikerinnen und -politiker und die von ihnen gestellte Bundesregierung stehen zurecht in der Kritik, dass sie die Lage hinsichtlich des Vorrückens der Taliban falsch eingeschätzt haben und somit nun unter Zugzwang sind, so viele Menschen wie möglich aus Afghanistan herauszubekommen. Die Linke aber beharrt nun in kaltblütigem Dogma und menschenverachtender Ideologie darauf, dass die Bundeswehr auf keinen Fall eingesetzt werden dürfe und der gesamte Einsatz der letzten 20 Jahre ein Fehler gewesen sei.

Das mag die Partei ja so sehen, das steht aber gerade nicht zur Debatte. Die Debatte ist, ob Menschenleben gerettet werden können und ob Deutschland – genauer: seine Armee – ihr Gerät dafür einsetzen soll, dass so viele Menschen wie möglich gerettet werden können. Die Linke möchte diesen Einsatz deutscher Mittel offenbar nicht und verwehrt somit in Konsequenz den Ausreisewilligen – unabhängig davon, ob sie tatsächlich den Flughafen in Kabul erreichen können oder nicht – ihre Flucht.

Verantwortung muss man übernehmen wollen, nicht dabei wegsehen

Diese Partei, die in direkter Nachfolge zur diktatorischen SED in der DDR steht, hat offenbar nichts daraus gelernt, was es brachte, ein Volk einzusperren. Es ist gut, dass die Große Koalition noch eine Mehrheit hat, um die nun nötigen Beschlüsse zu treffen und dass FDP und Grüne sich hoffentlich auch hier zur Zustimmung entschließen können. Es ist gut, dass diese Partei nicht in Regierungsverantwortung ist und es bleibt zu hoffen, dass das auch so bleibt.

Eine Umfrage auf einem bekannten queeren Online-Portal zeigte jüngst, dass sich mehr als die Hälfte der zu dem Zeitpunkt knapp 850 an der Umfrage Teilnehmenden für eine rot-rot-grüne Bundesregierung ab Herbst aussprächen. Allen, denen das Schicksal der Afghaninnen und Afghanen oder generell eine konsistente, undogmatische und humane Menschenrechtspolitik wichtig ist, sei davon abgeraten die Linkspartei zu wählen. Wer CDU/CSU und/oder SPD ob ihrer Fehler beim Abzug aus Afghanistan kritisiert, der sollte erkennen, dass die Regierungsparteien wenigstens in dieser humanitären Notsituation handeln. Die Linke will weder handeln noch nicht handeln, sondern sich der Stimme enthalten.

HMS

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