Warum ich den Essay „Außerhalb oder innerhalb der Binarität? Sind wir unsere Genitalien?“ geschrieben habe.

Von Nora Eckert

Ich möchte gerne ein paar Dinge in Sachen trans* zurechtrücken, sie mit der Wirklichkeit erden. Darüber in ein Gespräch zu kommen, wäre mein Wunsch. Es geht also um geschlechtliche Vielfalt und um trans* als gelebtes Leben, um Geschlechtsidentität, um Selbstbestimmung und auch um diejenigen, die trans*Menschen gerne das Leben schwer machen.

In dem Essay ist der Begriff Geschlechtsidentität die zentrale Kategorie bei der Beantwortung der Frage, welchem Geschlecht wir zugehören. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wurde sie zur maßgeblichen Kategorie in der Beurteilung der Geschlechtszugehörigkeit, und zwar für diejenigen Menschen, die ihre Geschlechtsrolle wechseln.

Die Rede ist in diesem Zusammenhang und zutreffend von einem Paradigmenwechsel. Das Geschlecht eines Menschen wird zwar wie bisher bei seiner Geburt als weiblich oder männlich bestimmt, jedoch stellt mittlerweile die Rechtsordnung in Rechnung, dass ein Geschlechtseintrag unabhängig von körperlichen Merkmalen geändert werden kann. Ausschlaggebend ist dafür die Geschlechtsidentität, unsere eigene geschlechtliche Wahrnehmung – manche behaupten, sie sei die Erfindung einer trans*Ideologie. Nein, nicht um Ideologie, sondern um das Existenzrecht von Menschen geht es.

Den Anstoß für den Essay gab mir diese unselige Diskussion um das sogenannte „biologische Geschlecht“, mit der trans*Menschen als eine Art Mogelpackung aus der Geschlechterordnung verbannt werden. Es gebe nur zwei Geschlechter – Frau und Mann. Vielleicht stimmt das sogar, aber wenn es wirklich stimmen soll, dann mit einer Erklärung, die eben nicht nur auf Genitalien schaut und sich trotzdem innerhalb der Biologie bewegt. Es gibt nämlich auch eine inklusive Biologie, in der alle Menschen vorkommen. Um genau die geht es in meinem Essay.

Es ist eine Biologie, die bei der Frage von Geschlecht unser Gehirn nicht ausklammert, sondern mit einbezieht. Diejenigen allerdings, die das „biologische Geschlecht“ als Kulturkampf-Parole auserkoren haben, wollen davon nichts wissen. Ignoranz ist bei ihnen Trumpf. Ebenso klar, dass in deren sehr einfach gestricktem Menschenbild trans* und inter*geschlechtliche sowie nichtbinär lebende Menschen durchs Raster einer allein auf die menschliche Fortpflanzung fixierten Heteronormativität fallen.

Wo aber bleiben dann die geschlechtlich Aussortierten beziehungsweise Zwangs-Einsortierten? Nicht zuletzt wird hier die Frage berührt, warum es überhaupt trans*Menschen gibt. Ja, warum gibt es trans*? Für jene, die die Frage vermeintlich biologisch beantworten, indem sie nur Menschen mit Vulva beziehungsweise Penis kennen wollen, ist trans* ein Fall von Einbildung, von Immersion und fehlgeleiteter Identifikation, eben nur ein Gefühl, wie es immer gern heißt – sozusagen ein Fall für die Metaphysik. Da mein trans*Sein alles andere als metaphysisch ist, sondern verdammt konkret und real, wage ich die Behauptung: Für das trans*Sein gibt es eine biologische Antwort.

Doch im Ernst: Wie kommt es, dass Menschen ihre Geschlechtsrolle wechseln? Um ehrlich zu sein: Wir wissen es nicht. Nun könnten wir es dabei belassen, schließlich haben wir auf vieles keine oder noch keine Antwort, weil unsere Erkenntnisfähigkeit dafür nicht ausreicht. Unbestritten indes, dass es schon immer und überall Menschen gab und gibt, die ihre Geschlechtsrolle wechseln. Der Essay gibt einen solchen Blick in die Welt auf der Suche nach der Geschlechtsidentität im Menschen.

Die Geschlechtsrolle bezeichnet unser soziales Geschlecht. Und damit sitzen wir auch schon in der Klemme, denn Menschen als soziale Wesen können nicht einfach tun, was sie wollen, auch wenn sie sagen, hier gehe es weder um Wahl noch um eine Willensfrage. Was hier nämlich klemmt ist allein unsere Kultur und die von ihr geprägte Gesellschaft, die mit einem Wechsel der Geschlechtszugehörigkeit fremdelt. Was tun, um mit Lenin zu fragen?

Für das, was wir noch nicht wissen, haben wir zumindest schon mal einen Begriff – Geschlechtsidentität. Und dazu die Erkenntnis des Biologen Milton Diamond, wonach das zentrale Sexualorgan des Menschen zwischen den Ohren und nicht zwischen den Beinen sitzt. Erlauben wir uns also ein Gehirn und eines, das uns wissen lässt, in welchem Geschlecht wir richtig sind. Genau davon und einigem mehr handelt der Essay.

Der Essay Ausserhalb oder innerhalb der Binarität? von Nora Eckert ist im September 2023 im Querverlag erschienen. Unsere Rezension folgt.

Nora Eckert ist Publizistin, im Vorstand beim Bundesverband Trans* e.V. und bei TransInterQueer e. V. und Teil der Queer Media Society

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