„Gewisse Sachen passieren einfach…“

„…und dann wird das dein Leben“, so Vater David zu seinem Fast-Teenager-Sohn Luke auf Seite 62 des Jugendbuches Grüner wird’s nicht von William Sutcliffe. Spätestens hier wird auch den weniger aufmerksamen Leser*innen klar, dass es in dem von Leena Flegler übersetzten und bei arsEdition erschienen Buch nicht nur im Klimasinne um den „Sommer, in dem ich die Welt rettete“, so der erweiterte Titel, geht…

„Du bist merkwürdig, …“

Nein. Anhand eines Klimaprotests gegen den Bau einer neuen Landebahn für einen an ein Wohngebiet grenzenden Flughafen erzählt Sutcliffe, Autor von mittlerweile zwölf Romanen, auch die Geschichte eines (Er-)Wachsens sowie Erkennens und Anerkennens von Veränderungen. Alles fängt damit an, dass sich Lukes ältere und ihm nur hin und wieder situativ zugeneigte Schwester Rose zu Beginn der Sommerferien seinen Schlafsack ausleiht und mehr oder weniger kommentarlos in das Haus gegenüber stapft. 

Die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind allesamt vor einiger Zeit geräumt worden und sollen in Kürze der erwähnten Flughafenerweiterung zum Opfer fallen. Nun hat sich vis-a-vis des Hauses von Lukes Familie ein Protestcamp eingerichtet — dem sich Rose anschließt. Sehr zum Entsetzen von Mutter Amanda und Vater David. Der fasst nach einer Art Introspektion den Entschluss sich ebenfalls zu den Aktivist*innen zu begeben. Quasi um sie zu infiltrieren und die Tochter wieder ins Familienhaus zurückzugraulen. 

Ob das was wird? Luke ist eher skeptisch, zumal der Vater ihm seltsam vorkommt. Und auch Mutter Amanda verhält sich seltsamer… Als dann noch die genau wie Luke dreizehnjährige Sky, Tochter einer besonders… uhm… auffälligen Protestantin, einen Narren an dem Jungen, dem dezent spießbürgerlichen Leben, der Schulpflicht, dem nicht beigefarbenen und fleischhaltigen Essen sowie dem Fernseher frisst und so halb bei ihnen einzieht, wird’s endgültig seltsam. Aber auch zu viel?

„…aber ich hasse dich nicht.“

Nun, wie mensch es nimmt. Luke nimmt vieles anfangs eher gelassen, wenn auch mit einer gewissen Irritation hin. Zwar ist der Junge kein weiser Mann im Körper eines Kindes (was in so manchem Jugendbuch durchaus der Fall ist), aber doch von erstaunlicher Abgeklärtheit. Dies mag bei den eher als überspannt zu bezeichnenden Eltern durchaus mit der Zeit kommen. Wir könnten es auch Resilienz nennen. 

Auf der anderen Seite ist er als Teenager natürlich entsprechend genervt davon, dass über seine Sommerferienplänechillen und dann Urlaub mit der Familie — auf einmal ein gewisses Chaos hereinbricht. Die Protestierenden stören ihn dabei weniger, aber die sich im Rahmen all dessen entwickelnde Familienkrise durchaus. Wie eben auch das fremde Kind, das ihm irgendwie zur Betreuung übergeben wird. 

Nun wird es kein großer Spoiler sein, wenn an dieser Stelle erwähnt wird, dass Luke und Sky sich natürlich annähern, ein Gefühl füreinander entwickeln und später Partners in Crime sind, dies sowohl im übertragenen als auch wörtlichen Sinne.

„Hier geht es doch nicht um Meinungen!“

Apropos wörtlich: Autor William Sutcliffe nimmt sich auf den 320 Seiten durchaus Zeit, um die Figuren, ihren Eigenheiten und Geschichten zu entwickeln. Was die durchaus recht vollgepackte Story um einiges glaubwürdiger macht. So geht es nicht ausschließlich um das Klima und den drohenden Weltuntergang, sondern in verschiedenen Formen um Generationenkonflikte, das falsche Leben, die Midlife-Crisis, die Masken, die wir im Alltag tragen und all sowas.

Dabei verknüpft Sutcliffe gekonnt manch (Melo-)Drama mit reichlich Humor (der an einigen Stellen großartig ist — wenn die verkniffene Nachbarin etwa so tut, als sei Roses vorübergehender Auszug ein Todesfall —, an anderen hingegen gar nicht meine Welt, aber das würde ich mit dreizehn Jahren sicherlich anders empfunden haben). Sprachlich bleibt er bei allen durchaus komplexen und schwierigen Thema immer an den Kindern und Jugendlichen. Was hier und da auch mal nach Bodyshaming u. Ä. klingen kann; vermutlich ist ein vorpubertärer Vorstadtjunge aber eben nicht viel anders. Zudem muss Luke ja auch eine Entwicklung durchmachen.

„Das sind Tatsachen!“

So lernen wir auch die Familie besser und besser kennen, erfahren von manch verloren gegangenem Traum, womöglich einer Angst vorm Älterwerden und der Frage, ob es dies dann nun war. Ebenso gibt es nicht Weniges an Hintergründen zu Klimaprotesten, Aggression gegenüber den Anderen, Schwarz-Weiß-Denken, der Notwendigkeit im Sinne der Erhaltung unseres Planeten und des Lebens auf ihm zu handeln und ein wenig — durchaus jugendlichengerecht — zu Polizeigewalt obendrauf. 

Etwas haderte ich wie oben erwähnt mit mancher Sprache, die ich etwas drüber fand sowie zusätzlich der unkritischen Erwähnung von Extinction Rebellion (der deutsche Ableger, aus welchem die Letzte Generation hervorgegangen ist, hat dieser Tage zur „Frühlings-Rebellion“ aufgerufen und hat für diesen Donnerstag angekündigt „in den Morgenstunden die Gebäude von etwa 30 Firmensitzen, Lobbyverbänden und Parteizentralen mit schwarzem Kunstöl“ zu beschmieren, wie es in einer Pressemitteilung hieß). Dass es abseits guter Klimaschutzziele (insbesondere in Großbritannien, wo Grüner wird’s nicht spielt) manch ein Problem mit Klassismus, „Israelkritik“, Kultbildung, usw. usf. gibt, hätte Sutcliffe zwar nicht ewig ausführen müssen, aber bei vielen Details im Buch wäre eine kurze Einordnung durchaus möglich gewesen, ohne das Engagement der Aktivist*innen in Grüner wird’s nicht zu konterkarieren.

„Wissenschaftliche Erkenntnisse!“

Sehr viel mehr wesentliche Kritikpunkte lassen sich eigentlich nicht finden — und nicht jede*r geht mit zum Extremismus neigenden Gruppen so hart ins Gericht wie ich. Die Briten sowieso schon mal gar nicht. Die haben immerhin die Hooligans erfunden, ne?! Besonders erfreut das Ende, an dem in der Tat vieles anders, aber nicht unbedingt schlechter ist — das Herz von Buch und Autor sind oftmals definitiv an der richtigen Stelle. 

Wie Sutcliffe zum Abschluss von Grüner wird’s nicht. Der Sommer, in dem ich die Welt rettete Protestcamp und Flughafenausbau abbindet, ist durchaus sehr pointiert und wie vieles an dem Buch, wenn es ums Wesentliche geht, nah an der Realität. 

Eine Leseprobe findet ihr hier.

William Sutcliffe: Grüner wird’s nicht. Der Sommer, in dem ich die Welt rettete; Aus dem Englischen von Leena Flegler; Februar 2023; 320 Seiten; Hardcover; ISBN 978-3-8458-5006-1; arsEdition; 15,00 €; Altersempfehlung: ab 10 Jahren

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